Abgebende, lasst die Nachfolger Fehler machen
Gerüstbaumeisterin Jeannette Spanier-Stark erzählt, wie wichtig Vertrauen und frühe Übernahme von Verantwortung für ihre Nachfolge waren
Fast alle Unternehmer mit denen wir sprechen, wünschen sich Nachfolgebeispiele aus dem Handwerk. Wir sprachen mit Gerüstbaumeisterin Jeanette Spanier-Stark. Für ihre Nachfolge bekam sie 2023 vom Verband der deutschen Unternehmerinnen den she succeeds award verliehen.
Frau Spanier, erzählen Sie bitte, wie Sie Nachfolgerin im Gerüstbaubetrieb Ihres Vaters wurden.
Ich bin eine von 3 Töchtern und wollte als Kind schon immer in den Gerüstbau und später den Betrieb übernehmen. Ich fuhr gern mit zum Ausmessen und bin auf Kirchengerüste geklettert. Für die Schule musste ich ein Praktikum im sozialen Bereich machen. 14 Tage Praktikum im Kindergarten haben mich bestätigt, dass ich ins Handwerk gehöre. Ich fahre auch immer noch gern mit raus.
15 Jahre arbeitete ich im Betrieb meines Vaters bevor ich 2020 mit einem Geschäftspartner Sebastian Bichler (langjähriger Mitarbeiter der Firma) zusammen das Unternehmen übernommen habe. Begleitet haben uns ein Steuerberater und Anwälte für die Verträge.
Wir haben zu einem fixen Stichtag übergeben. Das war für uns die beste Lösung. Ab diesem Tag an war mein Vater aus allen Angelegenheiten offiziell raus und wir zwei Nachfolger hatten die volle Verantwortung.
Meine zwei Schwestern sind beide Erzieherinnen geworden. Sie hatten kein Interesse am Unternehmen.
Was war ausschlaggebend dafür, dass Ihnen die Nachfolge so gut gelungen ist?
Wichtigster Punkt war, dass mein Vater Vertrauen hatte in uns Übernehmende. Mein Vater hat sich schon frühzeitig nicht in meine Zuständigkeitsbereiche eingemischt. Er hat mich Fehler machen lassen. Er hielt sich im Hintergrund und hat beobachtet. Wenn etwas nicht geklappt hat, fragte er mich “Und? Warst du zufrieden?” Wenn ich dann sagte, es hätte vielleicht besser laufen können, erzählte er mir, wie er es gemacht hätte. Mit diesen Infos konnte ich dann selbst entscheiden, ob ich es beim nächsten Mal so umsetze, oder auch nicht. Er hat mir nichts vorgeschrieben. Ich war frei in dem, was und wie ich es mache.
Außerdem hatte mein Vater eine neue Aufgabe für sich nach der Übergabe. Er machte sein Hobby zum Beruf und baut jetzt das Startup Moselcopter auf. Aus Luft- und Bodenaufnahmen von Drohnen werden maßstabsgetreue 3D-Modelle erstellt. Das ist interessant für Architekten, Landschaftsgärtner oder auch Dachdecker.
Für uns Nachfolger war gut zu wissen, dass wir auf die 25 Jahre Berufserfahrung meines Vaters zurückgreifen können, sollte doch etwas schiefgehen. Wir können ihn jederzeit um Rat fragen, wenn wir wollen.
Zudem haben wir uns viel Zeit genommen, die Nachfolge vorzubereiten. Ich glaube, man kann nicht im Juli eine Entscheidung treffen und dann im Dezember übergeben. Das braucht Zeit.
Was war das Erste, das Sie verändert haben?
Das Personal und die Logistik musste umgestellt werden. Früher kamen die Mitarbeiter von der Bundeswehr und jeder hatte einen Führerschein bis mindestens 7.5t. Heute haben viele nicht einmal einen PKW Führerschein. Jetzt gibt es reine LKW Fahrer, die keine Gerüstbauer sind. Das ist einfacher zu finden als ein Gerüstbauer mit Führerschein. Die alte Struktur passte nicht mehr auf die neue Situation. Außerdem wollte ich auch mal einen richtig großen LKW fahren. Das war ein schöner Nebeneffekt dieser Umstrukturierung des Fuhrparks.
Was raten Sie anderen, die sich noch im Nachfolgeprozess befinden?
Man kann als Abgebender nie früh genug anfangen, Verantwortung abzugeben und Vertrauen zu schenken. Daran kann der Übernehmende wachsen. Damals hat dem Abgebenden auch keiner gesagt, was falsch und richtig ist. Genau dieses Umfeld brauchen auch die Nachfolger.
Es ist zudem wichtig, dass der Abgebende ganz konkret weiß, welcher Beschäftigung er/sie nach der Übergabe nachgehen möchte.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Spanier-Stark.
Für Ihre Nachfolge und die App Scaffeye für den Gerüstbau haben Sie Preise und mediale Aufmerksamkeit bekommen (Interview im Handwerk-Magazin zur App). Sie sind Vorbild für Frauen im Handwerk und für familieninterne Nachfolge.
Wir danken Ihnen sehr für Ihre Arbeit und wünschen Ihnen weiterhin Freude und Ausdauer für diese wichtige Aufgabe.
Interview: Jeanette Spanier-Stark & Maria Wichmann
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