Professorin Heike Walk von der Hochschule geht ins Handwerk
Ein viermonatiges Perspektivenwechsel-Experiment.
Prof. Heike Walk ist wissenschaftliche Leiterin des Nachfolgeprojektes Inno4Ufo und berichtet uns über ihr viermonatiges Handwerkssabbatical.
Im März 2024 begann ich ein ungewöhnliches Experiment: ein viermonatiges Handwerkssabbatical, in dem ich in drei verschiedenen Handwerksbetrieben arbeitete. Der Anstoß für dieses Projekt waren die alarmierenden Berichte über Nachwuchsprobleme im deutschen Handwerk. Viele Betriebe können ihre offenen Stellen nicht mehr besetzen, während immer mehr Schulabgänger*innen sich für ein Studium statt einer Ausbildung entscheiden.
Warum hatte ich selbst eigentlich keinen handwerklichen Beruf erlernt? In der Tat hatte ich mit dem Tischler-, Möbel- und Steinmetzhandwerk sowie dem Weinbau geliebäugelt, bevor ich mich für Politikwissenschaft entschied. Obwohl ich meinen Beruf als Professorin liebe, bedauere ich, dass ich diesen anderen Interessen nie nachgegangen bin.
Da es kein formelles Programm für ein solches Handwerkssabbatical gibt, musste ich alles selbst organisieren – eine Herausforderung für mich und die angesprochenen Betriebe. Beeindruckend war die Offenheit, mit der die Unternehmer*innen meiner Idee begegneten. Kein angefragter Betrieb lehnte ab; vielmehr war die Neugier auf allen Seiten groß.
Erste Station: Restaurierungswerkstatt in Eberswalde
Meine Reise begann bei akanthus Restaurierungen GmbH im Rofinpark in Eberswalde. Seit 1982 restauriert akanthus Kunst- und Kulturgut aus Holz. 2017 zog die Werkstatt mit 18 Lkw-Ladungen aus Berlin in das ehemalige Feuerwehrhaus des Rofinparks.
Schon der erste Schritt in die große Werkstatt war ein Eintauchen in eine andere Welt. Es roch wunderbar nach alten Möbeln und frischem Holz, da sich der Restaurationsbetrieb die Werkstatt mit einer Jurtenbauerin teilt. Überall standen interessante Objekte aus unterschiedlichen Jahrhunderten.
Meine Hauptaufgabe war das Schleifen verschiedener Stemmeisen und kleinere Recherchearbeiten. Daneben konnte ich verschiedenste Restaurationsarbeiten beobachten. Besonders beeindruckte mich die Werkstattatmosphäre: Der wertschätzende und hierarchiefreie Umgang zeigte sich in gegenseitigen Ratschlägen und Hilfeleistungen. Auch das tägliche gemeinsame Kochen und Mittagessen erlebte ich als teambildende Maßnahme.
Zweite Station: Steinbildhauerei in Berlin
Anfang Mai hospitierte ich bei einer Steinbildhauerin in der Weiberwirtschaft in Berlin. Konscha Schostak betreibt "memoria Stein" und gestaltet individuelle Grabsteine und Erinnerungssteine aus Naturstein. Die Ideen entstehen im Dialog mit den Kund*innen, deren persönliche Erzählungen in Form und Material übersetzt werden.
In der Werkstatt in der Genossenschaft Weiberwirtschaft, Europas größtem Gründerinnen- und Unternehmerinnenzentrum, lagert die Bildhauerin eine kleine Auswahl von Steinen und Objekten. Ein weiterer Arbeitsort befindet sich auf dem ehemaligen Industriegelände 'Monopol.Berlin' in Reinickendorf. Dort arbeitet sie mit dem Bildhauer Raphael Beil zusammen, der eine "School of Sculpture" betreibt. Hier lernte ich, wie aus einem Steinblock eine kleine Skulptur entstehen kann.
Dritte Station: Weingut im Rheingau
Die dritte Hospitation führte mich ins Rheingau, in ein renommiertes Weinanbaugebiet am Rhein. Ich wählte das deutsch-türkische “Weingut Mohr” in Lorch, das erstklassige Rieslingweine und Sekte produziert und im traditionellen Weinbaugebiet mutige neue Wege beschreitet. Das Weingut stellte schon in den 1990er Jahren konsequent auf ökologischem Anbau um.
Meine Arbeit begann mit Bürotätigkeiten und der Einarbeitung in spezialisierte Weinbau-Software. In der zweiten Woche half ich bei der Flaschenetikettierung, erkundete die tiefen Weinkeller im Lorcher Berg und arbeitete in den sehr steilen Weinbergen mit. Ein Highlight war die Teilnahme an einer Weinmesse in Frankfurt-Höchst, wo verschiedene Weingüter ihre Weine präsentierten.
Unerwartete Schnittstellen
Überraschenderweise ergaben sich in allen Betrieben Schnittstellen zu meiner akademischen Arbeit. Der Restaurator in Eberswalde erwog die Gründung einer Dachgenossenschaft – ein Thema, das ich im Rahmen meiner Forschungen an der Hochschule bearbeite. Die Steinbildhauerin suchte eine Nachfolgerin, und ich konnte ein Beratungsgespräch mit Kolleg*innen aus dem Forschungsprojekt "Inno4Ufo" organisieren. Der Winzer im Rheingau interessierte sich für Corporate Volunteering als Lösung für den Arbeitskräftemangel bei der Weinlese.
Fazit: Ein bereicherndes Experiment
Das viermonatige Sabbatical war eine großartige Erfahrung. Das praktische Arbeiten und Kennenlernen verschiedener Handwerksberufe empfand ich als enorme Bereicherung. Die zahlreichen Gespräche über Nachhaltigkeitsthemen waren für beide Seiten inspirierend. Auch hinsichtlich der Nachwuchsprobleme im Handwerk wurde das Hospitationskonzept als möglicher Weg gesehen, Interessierte an handwerkliche Berufe heranzuführen.
Mit dem Engagement im Rahmen eines Sabbaticals ginge es mir vor allem darum, eine Möglichkeit aufzuzeigen, wie wir aus gewohnten Routinen ausbrechen, ganzheitliches Denken praktizieren und einen wertvollen Perspektivwechsel vornehmen können – was genau den Kern unserer Lehre zu Nachhaltigkeit und Transformation an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde ausmacht.
Autorin: Prof. Heike Walk
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